Samstag, 1. August 2015

Chronobiologie: Hören Sie stets auf Ihre innere Uhr

Chronobiologie: Hören Sie stets auf Ihre innere Uhr

In der Chronibiologie werden Lebensrhythmen erforscht. © alphaspirit - Fotolia.comIn der Chronibiologie werden Lebensrhythmen erforscht. © alphaspirit - Fotolia.comWarum sind einige Menschen morgens topfit und andere erst am Abend auf dem Höhepunkt ihrer Leistungsfähigkeit? Prof. Moser erklärt die unterschiedlichen Lebensrhythmen – und welche Rolle sie für unsere Gesundheit spielen.

Haben wir tatsächlich so etwas wie eine innere Uhr?

Prof. Dr. Maximilian Moser: Wir haben nicht nur eine – genau genommen haben wir Milliarden innerer Uhren. Untersuchungen haben gezeigt, dass alle Zellen unseres Organismus und auch unsere Gene chronobiologisch gesteuert sind. Das heißt, sie alle folgen zum Beispiel dem Tagesrhythmus. Koordiniert werden sie vom sogenannten Nucleus suprachiasmaticus, einem Bereich des Gehirns, der vom Tageslicht gesteuert wird und unter anderem die Ausschüttung des Hormons Melatonin reguliert. Es sorgt dafür, dass wir abends müde werden und ist insofern entscheidend für unseren Tagesrhythmus. Unterdrücken wir durch Licht zur falschen Zeit die Melatoninproduktion, kann dies gravierende Folgen haben.

Inwiefern?

Moser: Hemmen wir die Melatoninproduktion, indem wir beispielsweise bei Licht schlafen oder aber zu blaues Licht im Wohn- und Schlafzimmer nutzen, führt dies dazu, dass wir schneller altern und anfälliger für Krankheiten werden. Mein Tipp lautet deshalb: Schlafen Sie in einem dunklen Raum und verzichten Sie in Ihrem Schlaf- und Badbereich weitgehend auf LED- und Energiesparlampen. Diese enthalten einen hohen Blaulichtanteil, der die Melatoninproduktion bremst. Außerdem ist es günstig, möglichst immer zur selben Zeit aufzustehen und wieder zu Bett zu gehen. Solche Rhythmen sind entscheidend für ein langes Leben.
Die Nächte durchzufeiern und auszuschlafen ist also tabu?
Moser: In der Chronobiologie gilt zum Glück: Einmal ist keinmal. Wenn Sie vereinzelt die Nacht zum Tag machen oder an einem Sonntag ausnahmsweise einmal zwei oder drei Stunden länger schlafen als sonst, ist dies unproblematisch. Geschehen diese Dinge allerdings wiederholt oder arbeiten Sie beispielsweise im Schichtdienst, kann diese ständige Störung der Rhythmen durchaus Probleme bereiten. Menschen, die in wechselnden Schichten und dementsprechend unregelmäßig arbeiten, haben ein deutlich erhöhtes Erkrankungsrisiko. So haben Frauen im Schichtdienst ein um 50 Prozent erhöhtes Risiko, an Brustkrebs zu erkranken. Bei Männern steigt das Prostatakrebsrisiko signifikant an. Auch Herzinfarkte werden bei Schichtdienstmitarbeitern im Vergleich zu normal Berufstä-tigen um 50 Prozent häufiger diagnostiziert.

Sollte man die Schichtarbeit angesichts dessen verbieten?

Moser: Problematisch sind insbesondere ständige Wechsel des Arbeitsrhythmus. Ein Portier, der nur nachts arbeitet, hat Studien zufolge kein erhöhtes Krebsrisiko. Wer hingegen jeweils eine Woche lang tagsüber und die darauffolgende Woche nachts arbeitet, stört seinen Lebensrhythmus, sodass die innere Uhr aus dem Takt gerät. Menschen, die abends oder nachts wesentlich aktiver und lebendiger sind als tagsüber, tun sich mit Schichtarbeit wesentlich leichter. In der Chronobiologie unterscheiden wir die sogenannten Eulen, die zu später Stunde effektiv arbeiten können, von den Lerchen, die eher früh am Morgen vital sind.

Woran erkenne ich, ob ich eine Eule oder eine Lerche bin?

Moser: Es gibt den Horne-Östberg-Test, den man ausfüllen kann. Im Grunde reicht es aber aus, eine einzige Frage zu beantworten: Sind Sie ein Morgen- oder ein Abendtyp? Wenn Sie darauf keine eindeutige Antwort geben können, sind Sie ein indifferenter Typ. Rund 60 Prozent der Menschen sind weder Lerchen noch Eulen. Die restlichen 40 Porzent verteilen sich auf Abend- und Morgentypen. Im Laufe des Lebens ändern wir uns auch: Kinder und ältere Menschen neigen zum Morgentyp, im Studentenalter finden Sie vor allem Abendtypen vor.

Spielt es eigentlich auch eine Rolle, wann und wie wir essen?

Moser: Durchaus. Zunächst einmal gilt: Regelmäßige Mahlzeiten helfen unserem Verdauungssystem. Befragungen von 100-Jährigen haben zudem ergeben, dass es von Vorteil ist, beim Essen Maß zu halten und am Abend auf große Mahlzeiten zu verzichten. Gleichmäßigkeiten dieser Art könnten für ein langes Leben sogar relevanter sein als die Frage, ob jemand vegetarisch lebt oder gelegentlich Fleisch isst. Außerdem gilt: Wer abnehmen möchte, sollte dieses Vorhaben aufs Frühjahr vertagen. In dieser Zeit ist der Organismus bereit, überflüssige Stoffe abzugeben. Ein Umstand, der übrigens auch in einigen Religionen verankert ist: Sie zelebrieren ihre Fastenrituale allesamt zu Beginn des Jahres.
PROF. DR. MAXIMILIAN MOSER
Als Gründer und Leiter des Human Research Instituts für Gesundheitstechnologie und Präventionsforschung in Weiz und als Professor für Physiologie an der Medizinischen Universität Graz zählt Moser die Gesundheitsforschung sowie die Präventivmedizin zu seinen Schwerpunktthemen. Gemeinsam mit dem Marburger Chronobiologen Gunther Hildebrandt verfasste er das einzige deutschsprachige Lehrbuch der „Chronobiologie und Chronomedizin“WWW.HUMANRESEARCH.AT




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