Chronobiologie:
Hören Sie stets auf Ihre innere Uhr
In der Chronibiologie werden Lebensrhythmen erforscht. © alphaspirit - Fotolia.comWarum sind einige Menschen morgens topfit und andere erst am Abend auf dem Höhepunkt ihrer Leistungsfähigkeit? Prof. Moser erklärt die unterschiedlichen Lebensrhythmen – und welche Rolle sie für unsere Gesundheit spielen.
Haben wir tatsächlich so etwas wie eine innere Uhr?
Prof.
Dr. Maximilian Moser: Wir
haben nicht nur eine – genau genommen haben wir Milliarden innerer
Uhren. Untersuchungen haben gezeigt, dass alle Zellen unseres
Organismus und auch unsere Gene chronobiologisch gesteuert sind. Das
heißt, sie alle folgen zum Beispiel dem Tagesrhythmus. Koordiniert
werden sie vom sogenannten Nucleus suprachiasmaticus, einem Bereich
des Gehirns, der vom Tageslicht gesteuert wird und unter anderem die
Ausschüttung des Hormons Melatonin reguliert. Es sorgt dafür,
dass wir abends müde werden und ist insofern entscheidend für
unseren Tagesrhythmus. Unterdrücken wir durch Licht zur falschen
Zeit die Melatoninproduktion, kann dies gravierende Folgen haben.
Inwiefern?
Moser: Hemmen
wir die Melatoninproduktion, indem wir beispielsweise bei Licht
schlafen oder aber zu blaues Licht im Wohn- und Schlafzimmer nutzen,
führt dies dazu, dass wir schneller altern und anfälliger für
Krankheiten werden. Mein Tipp lautet deshalb: Schlafen Sie in einem
dunklen Raum und verzichten Sie in Ihrem Schlaf- und Badbereich
weitgehend auf LED- und Energiesparlampen. Diese enthalten einen
hohen Blaulichtanteil, der die Melatoninproduktion bremst. Außerdem
ist es günstig, möglichst immer zur selben Zeit aufzustehen und
wieder zu Bett zu gehen. Solche Rhythmen sind entscheidend für ein
langes Leben.
Die
Nächte durchzufeiern und auszuschlafen ist also tabu?
Moser: In
der Chronobiologie gilt zum Glück: Einmal ist keinmal. Wenn Sie
vereinzelt die Nacht zum Tag machen oder an einem Sonntag
ausnahmsweise einmal zwei oder drei Stunden länger schlafen als
sonst, ist dies unproblematisch. Geschehen diese Dinge allerdings
wiederholt oder arbeiten Sie beispielsweise im Schichtdienst, kann
diese ständige Störung der Rhythmen durchaus Probleme bereiten.
Menschen, die in wechselnden Schichten und dementsprechend
unregelmäßig arbeiten, haben ein deutlich erhöhtes
Erkrankungsrisiko. So haben Frauen im Schichtdienst ein um 50 Prozent
erhöhtes Risiko, an Brustkrebs zu erkranken. Bei Männern steigt das
Prostatakrebsrisiko signifikant an. Auch Herzinfarkte werden bei
Schichtdienstmitarbeitern im Vergleich zu normal Berufstä-tigen um
50 Prozent häufiger diagnostiziert.
Sollte man die Schichtarbeit angesichts dessen verbieten?
Moser: Problematisch
sind insbesondere ständige Wechsel des Arbeitsrhythmus. Ein Portier,
der nur nachts arbeitet, hat Studien zufolge kein erhöhtes
Krebsrisiko. Wer hingegen jeweils eine Woche lang tagsüber und die
darauffolgende Woche nachts arbeitet, stört seinen Lebensrhythmus,
sodass die innere Uhr aus dem Takt gerät. Menschen, die abends oder
nachts wesentlich aktiver und lebendiger sind als tagsüber, tun
sich mit Schichtarbeit wesentlich leichter. In der Chronobiologie
unterscheiden wir die sogenannten Eulen, die zu später Stunde
effektiv arbeiten können, von den Lerchen, die eher früh am Morgen
vital sind.
Woran erkenne ich, ob ich eine Eule oder eine Lerche bin?
Moser: Es
gibt den Horne-Östberg-Test, den man ausfüllen kann. Im Grunde
reicht es aber aus, eine einzige Frage zu beantworten: Sind Sie ein
Morgen- oder ein Abendtyp? Wenn Sie darauf keine eindeutige Antwort
geben können, sind Sie ein indifferenter Typ. Rund 60 Prozent der
Menschen sind weder Lerchen noch Eulen. Die restlichen 40 Porzent
verteilen sich auf Abend- und Morgentypen. Im Laufe des Lebens ändern
wir uns auch: Kinder und ältere Menschen neigen zum Morgentyp, im
Studentenalter finden Sie vor allem Abendtypen vor.
Spielt es eigentlich auch eine Rolle, wann und wie wir essen?
Moser: Durchaus.
Zunächst einmal gilt: Regelmäßige Mahlzeiten helfen unserem
Verdauungssystem. Befragungen von 100-Jährigen haben zudem ergeben,
dass es von Vorteil ist, beim Essen Maß zu halten und am Abend auf
große Mahlzeiten zu verzichten. Gleichmäßigkeiten dieser Art
könnten für ein langes Leben sogar relevanter sein als die Frage,
ob jemand vegetarisch lebt oder gelegentlich Fleisch isst. Außerdem
gilt: Wer abnehmen möchte, sollte dieses Vorhaben aufs Frühjahr
vertagen. In dieser Zeit ist der Organismus bereit, überflüssige
Stoffe abzugeben. Ein Umstand, der übrigens auch in einigen
Religionen verankert ist: Sie zelebrieren ihre Fastenrituale allesamt
zu Beginn des Jahres.
PROF. DR.
MAXIMILIAN MOSER
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Als Gründer und Leiter
des Human Research Instituts für Gesundheitstechnologie und
Präventionsforschung in Weiz und als Professor für Physiologie
an der Medizinischen Universität Graz zählt Moser die
Gesundheitsforschung sowie die Präventivmedizin zu seinen
Schwerpunktthemen. Gemeinsam mit dem Marburger Chronobiologen
Gunther Hildebrandt verfasste er das einzige deutschsprachige
Lehrbuch der „Chronobiologie und
Chronomedizin“. WWW.HUMANRESEARCH.AT
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