Montag, 30. Dezember 2013

Kindermund

Kindermund

Ach Oma, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll,
deine Fürsorge finde ich ganz einfach supertoll.
Wenn ich groß bin, werde ich dich heiraten, ganz bestimmt.
Ich will nicht, dass mich eine andere nimmt.

Er war drei, als er diese Worte zu mir sprach bei Tisch.
Wir werden sehen, meinte lächelnd ich.“

Mit fünf sah es schon anders aus,
da sagte er doch frei heraus,
dass er mich nicht heiraten kann,
schließlich sei er noch kein Mann.

Ein paar Jahre später meinte er ganz vage:
Wenn ich groß bin, hast du graue Haare,
und bist schon ziemlich alt, das musst du verstehen,
ich werde besser mit vielen jungen Mädchen gehen.“

Am nächsten Tag war er ganz traurig, ich fragte ihn: „Weshalb“
Ach liebe Oma, du bist doch jetzt schon ziemlich alt.
Was ist, wenn der liebe Gott einen Engel aus dir macht?
Dann bin ich sehr traurig, muss weinen Tag und Nacht.“

Ich setzte mich und nahm ihn auf meinen Schoß,
umarmte ihn: „Was für Gedanken hast du bloß?
Ich will deinen Werdegang verfolgen und auch wissen,
welche Mädchen du wirst eines Tages küssen.

Auch will ich sehen, welchen Beruf du auserwählst,
möchte zuhören, wenn du aus deinem Leben mir erzählst.
Und ganz bestimmt willst du doch sicherlich auch,
dass ich, wenn die Zeit reif ist, kennenlerne deine Frau.

Und wenn dein erstes Kind geboren ist,
braucht es doch eine Uroma, das ist gewiss.
Der liebe Gott kennt alle unsere Wünsche ganz genau,
und deshalb lebe ich noch lange, der ist nämlich schlau.“

Scheinbar hatte ich das Richtige gesagt,
er war beruhigt und hat ein schönes Bild gemalt.

© Dorothee Sargon

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