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Freispruch für die Butter?
Über Fett wird immer wieder diskutiert. © tashka2000Fett ist der falsche Feind! So lautet die zentrale Botschaft einer neuen Untersuchung aus Großbritannien, die nicht nur in den Medien, sondern auch unter Wissenschaftlern kontrovers diskutiert wird. EAT SMARTER hat bei dem Stoffwechselexperten Prof. Dr. Klaus Parhofer nachgefragt.
Sie birgt das Potenzial für eine Revolution: Eine Metaanalyse der Universität Cambridge, die kürzlich im Fachblatt „Annals of Internal Medicine“ veröffentlicht wurde, meldet Zweifel an einem Dogma an, das lange Zeit unser Ernährungsverhalten entscheidend geprägt hat. Jahrzehntelang haben Mediziner und Ernährungsexperten gepredigt: Meiden Sie tierische Fette, um Ihr Herz zu schützen! Doch genau diese Annahme steht jetzt zur Diskussion.
Gewagte These: Gesättigte Fettsäuren sind besser als ihr Ruf
Das Forscherteam um den Epidemiologen Rajiv Chowdhury, das die bislang geltenden Leitsätze für den Fettkonsum untersuchte, wertete 76 Studien mit Daten von rund 600.000 Teilnehmern aus 18 Nationen aus. Das Ergebnis der Analyse war ebenso überraschend wie aufrüttelnd: Demnach gibt es – anders als ursprünglich angenommen – keinen Beleg dafür, dass der Verzehr sogenannter gesättigter Fettsäuren, die vor allem in tierischen Fetten wie Butter, Fleisch, Sahne oder Käse enthalten sind, das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht. Im Gegenteil: Margarinsäure, eine gesättigte Fettsäure, die in Milch und Milchprodukten enthalten ist, könnte sogar einen Schutzeffekt für das Herz haben, mutmaßen die Forscher. Und stellen sogar den vermeintlich positiven Gesundheitseffekt der vielfach gelobten pflanzlichen Fette infrage.Zwar gebe es Hinweise dafür, dass hohe Werte bestimmter Omega-3-Fettsäuren im Blut, die dank pflanzlicher Fette vom Körper produziert werden können, mit einem geringeren Risiko für die Erkrankung der Herzkranzgefäße einhergehen. Die gezielte Einnahme mehrfach ungesättigter Fettsäuren in Form von Kapseln habe allerdings keine nachvollziehbare Wirkung gehabt, so die Forscher. Bestätigen ließe sich lediglich der Verdacht, dass Transfettsäuren, die bei der industriellen Teilhärtung pflanzlicher Fette entstehen und zum Beispiel in Pommes frites, Chips, Keksen oder Fertigprodukten stecken können, dem Herz-Kreislauf-System schaden. Frittierte Produkte, so die Forscher, sollte man dementsprechend weitgehend meiden.
Die Fachwelt streitet über die neuen Erkenntnisse
Während Medien wie das renommierte „Time Magazine“ angesichts der neuen Untersuchung die Dämonisierung des Fetts verurteilen und das „Ende des Kriegs gegen das Fett“ beschwören, reagieren Teile der Fachwelt mit Kritik auf die Erkenntnisse der neuen Metaanalyse. Die Studie dürfe nicht als „grünes Licht“ für bedenkenlosen Fleischkonsum aufgefasst werden, warnte zum Beispiel der Epidemiologe Frank Hu von der Harvard School of Public Health in der „New York Times“. Und auch in Deutschland betrachtet man die Untersuchung mit Skepsis: „Keine Frage, die Metaanalyse rüttelt an Grund-sätzen, die die großen Ernährungsgesellschaften seit vielen Jahren verbreiten“, sagt der Stoffwechselexperte Prof. Dr. Klaus Parhofer, Oberarzt an der Medizinischen Klinik II des Universitätsklinikums München (LMU).Dennoch solle man jetzt „nicht alles über Bord werfen, was bislang verkündet wurde“. Denn weitere Untersuchungen sind nötig, um Widersprüche mit anderen Studien zu klären. Zum Beispiel mit der anerkannten PREDIMEDStudie von 2013: Diese in Spanien durchgeführte Interventionsstudie besagt nämlich, dass die mediterrane Küche, vor allem der häufige Verzehr von pflanzlichen Fetten aus Nüssen und Olivenöl, besonders gesund sei und das Herz-Kreislauf-System schütze. „Es ist zwar schwierig, die Studien miteinander zu vergleichen, doch in diesem Fall sind weitere Forschungen zwingend notwendig, um die Unstimmigkeiten zu beseitigen“, so Parhofer.
Ungesättigte Fettsäuren sind weiterhin zu empfehlen
Und bis dahin? Soll man die bislang geltenden Verzehrregeln verwerfen? Butter statt Öl verwenden und Käse statt Nüsse naschen? „Auf keinen Fall“, sagt Parhofer. Der Stoffwechselexperte stellt klar: „Grundlegend gilt noch immer: kalt gepresste Öle wie Raps- oder Olivenöl, die viele ungesättigte Fettsäuren enthalten, sind die gesündeste Fettvariante, die es gibt. Aber in Maßen ist auch der Verzehr von Butter unbedenklich.“ Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt täglich 60 bis 80 Gramm Fett, am besten in Form von pflanzlichen Fetten, zu sich zu nehmen. „Daran kann man sich orientieren“, sagt Parhofer.Abgesehen davon sei es schwierig, einen Nährstoff wie Fett ganz allein für bestimmte Gesundheitsrisiken verantwortlich zu machen. Wer zum Beispiel fetthaltige Lebensmittel vor allem durch zuckerhaltige Fertigprodukte ersetzen würde, würde mindestens genauso ungesund leben wie vorher. Das Fazit des Münchener Mediziners lautet deshalb: „Neben der Ernährung spielen auch andere Faktoren des Lebensstils eine wichtige Rolle für die Vitalität eines Menschen. Am Ende ist alles eine Frage der Dosis.“
Janina Darm
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